Dass gerade junge Frauen nicht ausreichen verhüten und deswegen früh schwanger werden, ist noch immer ein hartnäckiges Vorurteil. Doch es gibt sie, die jungen Menschen, die sich bereits früh ein Kind wünschen. Heute haben wir Amanda im Interview, die bereits mit 24 Jahren Mutter wurde und das in vollem Bewusstsein. Sie hat sich ihr erstes und alle weiteren Kinder von tiefstem Herzen gewünscht. Heute nimmt sie uns mit und gibt uns einige Einblicke in ihr Leben als junge Mutter.
Liebe Amanda, wenn du auf deine Geschichte mit deinem nun 12-jährigen Sohn zurückblickst, wo hat diese begonnen? Wie würdest du diese erzählen?
Die Geschichte zu meinem Sohn begann etwa drei Jahre vor seiner Geburt. Damals war ich bereits mit meinem jetzigen Partner zusammen und ich trug schon lange diesen absurd krassen Kinderwunsch in mir. Mein Partner hat diesen Wunsch geteilt. Wir haben gewissermassen nur darauf gewartet und uns darauf gefreut, wenn es uns unsere Situation erlaubt ein Kind zu haben. Und so haben wir zusammen begonnen, nach Namen zu suchen. Dieser Name, den unser Sohn jetzt trägt, den haben wir während einer schönen Ferienreise, etwa drei Jahre bevor er zur Welt kam, ausgesucht. Seit damals sind dieser Name und dieses Kind immer mit uns dabei gewesen.
Als du vermutet hast schwanger zu sein, wie hast du das für dich wahrgenommen? Hattest du körperliche Hinweise darauf oder hast du es gewusst oder gespürt?
Meine Mens kam einfach nicht. Da war es für mich irgendwie schnell sehr klar, dass ich schwanger sein müsste. Ich habe damals meinen Zyklus genau beobachtet. Als sie nicht kam, dachte ich, ja wahrscheinlich bin ich wieder schwanger. Da ich schon mal schwanger war und damals eine Fehlgeburt erlitt, traute ich mich wegen dieser Erfahrung noch nicht so darauf einzulassen oder zu freuen.
Wie ging es dir, als deine Schwangerschaft bestätigt wurde? Welche Gedanken gingen dir durch den Kopf? Wie hast du dich gefühlt?
Das war speziell, da es bereits die zweite Schwangerschaft war. Als ich bei der ersten Schwangerschaft einen positiven Schwangerschaftstest in meinen Händen hielt, war meine Reaktion so: „Yeah, wir bekommen ein Baby!!!“ Nur haben wir halt kein Baby bekommen. Als sich dann die zweite Schwangerschaft anbahnte, wollte ich nicht unbedingt einen Test machen. Dieser sagte ja nicht wirklich was darüber aus, ob dieses Wesen auch wirklich bei uns bleibt. Und so fühlte es sich eher an nach: „Hmm… möglicherweise ist mir jetzt einige Wochen übel und dann lande ich vielleicht doch im Spital.“ Ich hatte also eine ganz andere Perspektive auf die Schwangerschaft. Es hat sich auch ein bisschen durchgezogen. Ich war insgesamt vier Mal schwanger und ich hatte bei keiner dieser kommenden Schwangerschaften das Gefühl von dieser grossen Vorfreude.
Gesellschaftlich gesehen, bist du eher jung Mutter geworden. Hast du dazu Bewertungen oder Abschätzung erfahren?
Was mir am meisten in Erinnerung blieb, sind ein, zwei Personen aus meinem näheren Umfeld. Diese haben uns beiden deutlich zu verstehen gegeben, dass es jetzt noch gar nicht angebracht ist ein Kind zu bekommen. Wir sollten uns auf unsere berufliche Karriere konzentrieren und genügend Geld sparen. Ich bekam den Eindruck, dass erst das Haus, das Auto und die Lebensversicherung wichtig wäre, bevor wir ein Kind bekommen sollten. Das war deren Perspektive, meine war es nicht und auch nicht die meines Partners.
Welchen Ängsten hast du dich gestellt?
Ängste hatte ich viele. Damals war ich in einer Lebenssituation, in welcher die wenigsten schon ein Kind bekommen. Ich war damals in einem unsicheren Arbeitsverhältnis und wurde schwanger, bevor ich eine Festanstellung hatte. Das hat mich wahnsinnig belastet. Und natürlich auch die Angst vor dem Unbekannten und das Gefühl, dass mein Leben nun zu Ende sei. Solche Sachen eben, gerade auch weil mir Vorbilder fehlten. In meinem Umfeld hatte ich keine Leute mit Kindern. Da wagten wir uns alleine daran.
Wie hast du das finanziell gemeistert?
Wir waren zum Glück zu zweit. Zu Beginn arbeitete vor allem mein Partner. Aber ich konnte sehr kurz nach dem Mutterschaftsurlaub in einem niedrigen Pensum arbeiten. So ging mein Berufseinstieg wunderbar auf, auch mit unserem Kind. Gerade der finanzielle Aspekt, war das, was Leute in unserem Umfeld kritisiert haben. Weil wir nicht schon viel angespart hatten. Aber rückblickend finde ich das angenehm. Wir haben uns nie an einen sehr hohen Standard gewöhnt. Aber durch das, dass wir beide unsere Ausbildung abgeschlossen haben und mein Partner auch arbeiten konnte, mussten wir uns nie existenzielle Sorgen machen. Wir hatten eine solide Grundlage und das reichte vollkommen.
Woran bist du gewachsen?
Ein kleines Kind bringt eine wahnsinnige Ansammlung von Erfahrungen mit sich, die man sonst nicht so erlebt.
Gerade dieses auf Bedürfnisse von Anderen eingehen, verantwortlich sein für ein Wesen, das sind einzigartige Erlebnisse. Es war ein langer Lernprozess.
Damals war ich noch nicht so geübt in meiner Reflexion, um auch meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu vertreten. Ich weiss nicht, ob ich das alles in diesem Ausmass gelernt hätte, wenn ich meine Kinder nicht bekommen hätte.
Wie hast du dir dein Leben eingerichtet? Wie meisterst du deine Arbeit und deinen Alltag mit deinem Kind? Wo erhältst du Hilfe?
Wir haben das weitergezogen, dass mein Partner und ich gemeinsam für unsere Kinder verantwortlich sind. Damals haben wir beide Teilzeit gearbeitet. Da wir auch die Unterstützung unseres Umfeldes wollten, sind wir ganz bewusst in unsere Heimatstadt zurückgezogen. Wir wollten unser Kind nicht zu zweit in einer fremden Stadt grossziehen. Ein Teil der Betreuung fand durch Kita, Tagesmutter oder durch den Hort statt. Wir bekamen auch viel Unterstützung durch die Grosseltern. Diese haben wir ganz bewusst nicht für fixe Tage angefragt, sondern für alle weiteren Gelegenheiten, zum Beispiel um Zeit zu zweit zu verbringen. Unterstützung bei Abendterminen funktioniert nicht durch eine Kita, sondern nur durch ein starkes Umfeld.
Wie nimmst du auf deine Bedürfnisse Rücksicht?
Ich glaube im Vergleich zu anderen Müttern haben meine Bedürfnisse eine hohe Priorität in meinem Leben. Das finde ich auch richtig so. Als unsere Kinder jünger waren, sind wir beide als Eltern sehr fest auf deren Bedürfnisse eingegangen. Ich denke, wenn man sich darauf einlassen kann, dass es sich zu Beginn fest um die Bedürfnisse der Kinder dreht, gibt das auch Raum, wenn diese älter werden. Dann hat man Kinder mit einer starken Verwurzelung, sodass man ihnen Platz für Flügel geben kann und sie diese auch ausbreiten können. So hat es irgendwann auch wieder viel Raum für die Eltern.
Wie hat sich deine Beziehung zu deinem Partner verändert?
Massiv, wir sind auch seit Geburt unseres Kindes 12 Jahre älter geworden. Wo wir davor mehr Gelegenheit hatten uns nahezukommen und auszutauschen, braucht es nun mehr Bewusstsein und Arbeit für die Beziehung. Das ist schon eine grosse Veränderung. Gleichzeitig haben wir viel über uns und unsere Beziehung gelernt. Wir sind durch diese Zeit sehr viel stärker geworden. Ich möchte nicht in die Beziehung zurück, die wir vor unseren Kindern hatten.
Welche Freuden durftest du dank deines Kindes erfahren?
Das Erleben von Nähe und Vertrautheit, diese tiefe Ebene finde ich wahnsinnig schön. So froh ich bin, dass ich kein Bébé mehr habe, ist es eine Zeit, woran ich sehr wehmütig zurückdenke. Das Baby stillen oder im Tuch tragen, diese vertrauensvolle Glückseligkeit dieses Bébés, das ist schon einzigartig. Und auch die Freude, mich auf die Eben der Kinder einlassen. Mal schreiend die Wiese runter zu springen, Blödsinn machen, Dinge entdecken. Schmetterlinge, Schnecken. Manchmal nervte das unglaublich, weil einfach alles viel länger braucht. Aber wenn ich gerade die Ruhe hatte und mich auf diese Entdeckungen einlassen konnte, war das wahnsinnig schön. Ach und gute Gründe haben, zahlreiche Bilderbücher auszuleihen und vorzulesen. Geschichten entdecken mit unseren Kindern ist etwas, was ich sehr toll finde.
Welche Vorzüge hat es, jung Mutter zu werden?
Ich empfinde es von Vorteil, dass ich mich gar nie daran gewöhnt habe, viel Geld zur Verfügung zu haben. Wir haben angefangen unser Leben einzurichten als unser Kind da war. Ich kann mir vorstellen, dass wir dadurch auch flexibler waren. Und ich finde, es hat auch jetzt einen grossen Vorteil. Ich habe das Gefühl, noch so viel Leben vor mir zu haben. Ich habe die Möglichkeit dies voll auszukosten, jetzt da meine Kinder grösser sind. Auch sehe ich einen rein biologischen Vorteil. Ich bin bereits im 1. Zyklus schwanger geworden. Die Schwangerschaften waren für mich sehr beschwerlich, ich glaube, es wäre nicht besser geworden, wenn ich älter gewesen wäre. Unsere Frauenbiologie ist schon eher darauf ausgerichtet, dass wir mit 20 ein Kind bekommen, statt mit 40.
Wirst du manchmal als junge Mutter nicht ernst genommen?
Ich glaube, ich wurde bei vielem ernst genommen. Aber ich hatte auch lustige Erlebnisse. Als ich bereits drei Kinder hatte und erst 30 war, begegnete mir mal eine Frau auf dem Spielplatz. Sie fragte mich, ob ich die Nanny dieser drei Kinder sein.
Was würdest du rückblickend anders machen? Was würdest du deinem damaligen Ich raten?
Rückblickend merke ich, dass ich noch nicht so diese innere Ruhe und Sicherheit hatte, gerade bei meinem ersten Kind. Ich war sehr durch diese Ängste und Unsicherheiten geprägt und wollte schnell in meinen Alltagstrott zurückkehren.
Ich würde mir raten: „Entspann dich ein bisschen. Dein Bébé ist jetzt klein und es wird so schnell gross. Es ist gerade unglaublich anstrengend, aber du darfst es dir so gemütlich einrichten wie es geht. Es wird sowieso anders, wenn dein Kind grösser ist, du musst gar nicht darum kämpfen.“
Vielleicht liest gerade eine junge, werdende Mutter mit. Was möchtest du ihr auf ihre Reise mitgeben?
Du wirst jetzt vielleicht ein bisschen weniger feiern in deinem Leben als andere in deinem Alter. Aber wenn alle deine Freundinnen 40 sind und kleine Kinder haben, dann machst du Party und das ist voll in Ordnung so. Und auch, du darfst alles so gut wie es geht annehmen, es wird von alleine wieder anders. Zudem such dir ein Unterstützungsnetzwerk. Nicht nur deine Familie und deine Eltern, was sehr wertvoll ist, sondern such dir auch andere Menschen mit kleinen Kindern. Zum Austauschen finde ich das unglaublich wichtig, gerade wenn man das im Freundeskreis nicht so hat.
Und noch allgemein. Was denkst du dazu, Frauen die Möglichkeit der Abtreibung zu erschweren oder zu nehmen?
Ich finde es eine Katastrophe. Ich finde, jede Frau sollte wählen können, wann sie schwanger werden und ein Kind bekommen möchte. Ich wollte sehr jung ein Kind bekommen. Und wenn ich keines hätte haben wollen und trotzdem schwanger geworden wäre, hätte ich jedes Recht zu einer Abtreibung gehabt. Ich finde das ein ganz wichtiges Grundrecht. Und genauso wichtig ist, dass man einer 17-Jährigen Person, die schwanger wird, nicht dazu drängen soll, eine Abtreibung zu machen. Sie hat genauso das Recht, dieses Kind zu bekommen. Ich finde Entscheidungsfreiheit sehr wichtig und dass möglichst keinen gesellschaftlichen Druck auf Frauen ausgeübt wird.
Früher war ich überzeugt, dass ich selbst nie abtreiben würde. 10 Jahre später hatte ich zwei kleine Kinder, die mich wahnsinnig gebraucht und an den Rand meiner Kräfte gebracht haben. Ich wusste in dem Moment genau, wenn ich jetzt schwanger werden würde, würde ich das nicht mit voller psychischer Gesundheit überleben. Ich hätte diese Schwangerschaft ohne Überlegungszeit beendet. Es ist ein hartnäckiges Vorurteil, dass vorwiegend junge Frauen abtreiben. Als ob diese schlecht verhüten. Statistiken zeigen jedoch, dass mehrheitlich Frauen abtreiben, die bereits kleine Kinder haben. Einfach weil sie wissen, dass sie dieser Mehrfachbelastung nicht gewachsen sind.
Was möchtest du Frauen sagen, die vor der Entscheidung stehen, ob sie weiterhin schwanger bleiben möchten oder nicht?
Schau, wie viel Unterstützung du in deinem Leben hast. Ich stelle es mir schwierig vor, ein Kind alleine aufzuziehen. Unterstützung heisst für mich nicht zwingend, dass ein Partner vorhanden sein muss. Sondern ein stabiles Netz von Freunden und Familie kann schon so viel wert sein. Und du darfst auch traurig sein um dieses Kind, falls du dich entscheidest, nicht weiter schwanger sein zu wollen. Du warst trotzdem schwanger, auch wenn du gerade keinen Platz hast für ein Kind in deinem Leben. Und du darfst dich trotzdem zu einem anderen Zeitpunkt in deinem Leben für ein Kind entscheiden und dich über dieses Kind freuen.
Ich glaube, wenn es um Schwangerschaften geht, ob geplant oder nicht, gewünscht oder nicht, ist es einfach vollkommen normal, dass man viele, widersprüchliche Gefühle auf ein mal spürt. Das ist in Ordnung. Du bist in Ordnung, egal was du machst und was du dabei fühlst.
Wie ist dein Fazit aus deiner Erfahrung als junge Mutter?
Ich bin gerne eine junge Mutter. Ich finde es auch immer wieder cool, Leute damit zu verblüffen. Wenn ich erkläre, dass mein ältestes schon 12 Jahre alt ist, fallen ihnen die Kinnladen herunter. Ich würde es wieder so entscheiden. Vor allem, weil ich diesen krass intensiven Kinderwunsch verspürt habe.
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Natürlich gibt es zahlreiche Geschichten, Umstände und Wege zum Kinderkriegen. Ob geplant oder nicht, ob grossgezogen, los gelassen, alleinerziehend, mit Hilfe, mehr oder weniger glücklich. Es gibt so viele Geschichten und spannende Personen dahinter. Auf alles triff er zu, Amandas Satz. „Du bist in Ordnung, egal was du machst und was du dabei fühlst.“ Liebe Frauen, liebe Menschen, wir laden euch ein diesen Satz mitzunehmen.
Liebe Amanda, danke dir für diese berührenden Einblicke in deine persönliche Reise als junge Mutter. Und danke dir für deinen wertvollen Satz.