Jung Mama werden – Interview mit Leonie

Es kann eine ganz schön grosse Herausforderung sein, als junge Frau Mutter zu werden. Einige Mütter werden ungeplant schwanger, während sich dies andere schon länger gewünscht und gezielt auf diesen Moment hingearbeitet haben. 

 

Manchen fehlt das nötige Geld, die Unterstützung und dadurch die Zeit, sich um sein Kind zu kümmern. Andere wiederum müssen erst noch die Beziehung zum Partner erarbeiten oder sich selbst und ihren eigenen Weg dazu finden. Und dazu kommen Ängste, Scham- oder Schuldgefühle und unzählige Unsicherheiten. 

 

Wie stemmt man das alles, wie meistert man diese Zeit? Und wie schafft man es, für ein kleines Menschlein da zu sein, wenn noch so vieles ungewiss ist?

 

Als Leonie mit Anfang 20 schwanger wurde, war ihre Beziehung gerade mal drei Monate alt. Inzwischen arbeitet sie selbständig als Fotografin und ist bereits Mutter zweier Töchter. In diesem Interview erzählt sie uns von ihren Erfahrungen als junge Mutter. Viel Spass damit.

 

Liebe Leonie, wenn du auf deine Geschichte mit deiner nun 4-jährigen Tochter zurückblickst, wo hat diese begonnen? Wie würdest du diese erzählen?

Phu. Gute Frage! Ich würde jetzt mal sagen, am Tiefpunkt meines Lebens. Ich stand da, wusste nicht, was mit mir anzufangen ist, war unzufrieden in allen Situationen. Und dann erfuhr ich von ihr. Im ersten Moment war ich noch mehr überfordert als je zuvor, doch im zweiten Moment wusste ich: „Sie wird mir von Gott geschickt!“ Endlich weiss ich, wer mich hier braucht.  

 

Als du vermutet hast schwanger zu sein, wie hast du das für dich wahrgenommen? Hattest du körperliche Hinweise darauf oder hast du es gewusst oder gespürt?

Eigentlich war eine Schwangerschaft komplett ausgeschlossen. Ich hatte nämlich eine Spirale eingesetzt. Doch als ich eines Morgens kaum mehr duschen konnte, weil der Wasserstrahl auf meiner Brust so schmerzhaft war, mir übel war und das Erbrochene wortwörtlich im Hals stand, wusste ich, hier ist etwas im Busch.

 

Hast du mit deinem Partner über deine Vorahnung gesprochen? Oder konntest du dich mit sonst jemandem darüber austauschen? Wie hat dich diese Person durch diesen Moment begleiten? 

Tatsächlich habe ich es die ersten Tage für mich behalten. Wir waren ja gerade mal drei Monate in einer Beziehung, was soll der nur denken, ging mir ständig durch den Kopf. Sofort habe ich es aber einer sehr engen Freundin (Nadine) erzählt und mit ihr alle meine Gedanken geteilt. Auch eine weitere Freundin (Anina) stand mir in diesen schweren Tagen sehr nahe zu Seite und begleitete mich auch zum ersten Frauenarzt Besuch. 

 

Wie ging es dir, als deine Schwangerschaft bestätigt wurde?

In einem Kaffee in der Stadt Wil, sass ich mit Anina stundenlang, bevor ich mich traute den Schwangerschaftstest zu machen. Ich hatte zitterige Beine, mir war übel. Das war gar nicht witzig. Irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen und ging zur Toilette. Als ich zurückkam, drückte ich Anina den Test in die Hand und meinte „Bitte, bitte sag mir nicht, dass dieser Test positiv ist!“ Sie musste nichts sagen, ich sah es an ihrem Blick. Der Test war positiv. Mir kullerten erstmal die Tränen. Und das ist wohl noch ziemlich untertrieben. Ich habe geheult. Wie ein Schlosshund. Ich fühlte mich komplett überfordert!

 

Hast du dich mit dem Thema Abtreibung auseinandergesetzt? War es für dich eine Möglichkeit, dieses Kind nicht zu bekommen?

Für mich stand das Thema Abtreibung keine Sekunde im Raum. Mir war klar, dass ich jetzt Mama werde. Ich wusste, ich habe eine abgeschlossene Ausbildung und Familie und Freunde, die mich in allem unterstützen. 

 

Wann hast du dich entschieden, dieses Kind voller Freude willkommen zu heissen?

Ich kann keinen Tag nennen, doch als ich das erste Mal bei meiner Frauenärztin lag und das Baby in mir sah, war mir klar, wir werden ein Team! 

 

Wie haben deine Familie und dein Umfeld auf diese Neuigkeit reagiert?

„Wow, wir gratulieren euch herzlichst!“, „Wir sind immer da!“ bis zu „Leonie, willst du das wirklich? Du hast noch so viele Pläne!“, war alles mit dabei. Die einen Freunde wurden durch das noch engere Freunde, andere Freunde sind heute keine Freunde mehr. Aber meine Familie stand von der ersten Sekunde an hinter mir und haben sich alle mit uns gefreut.

 

Gesellschaftlich gesehen, bist du eher jung Mutter geworden. Hast du dazu Bewertungen oder Abschätzung erfahren?

Am Anfang ja. Ich hatte grosse Angst davor „die junge, ungeplant Schwangere“ zu sein. Aus genau solchen Gründen besuchte ich keine Schwangerschaftsyogastunden oder Geburtsvorbereitungskurse. Aber heute erlebe ich das gar nicht mehr! Ganz im Gegenteil, ich ernte viel mehr Bewunderung und Komplimente. 

 

Welche Reaktionen sind dir in Erinnerung geblieben?

Meine Mama und ich sassen bei meinen Eltern Zuhause im Garten. Sie schaute mich an, ohne dass ich ein Wort sagte, nahm mich in den Arm und sagte „Du bist schwanger, oder?“ Das war für mich der schönste Moment! Meine Mama und ich verstehen uns schon immer blind. Ja, manchmal war unsere Beziehung auch schwierig, aber wenn es hart auf hart kam, gab es nur eins, Mama und Leonie, ein Team. Aber auch der Moment, als wir die Freunde meines Partners (Sascha), die ich alle kaum kannte, darüber informierten, blieb mir. Ich weiss noch, es war ein Montagmorgen im Juni 2018 und ich lag im Bett und bekam einen Screenshot nach dem andern von Sascha geschickt und bei mindestens jedem Zweiten habe ich vor Freude und Dankbarkeit geweint. 

 

Was hat sich ab dem Moment der Entscheidung für dich verändert?

Alles. Beispielsweise wusste ich, dass ich meine Heimat St. Gallen werde verlassen und zu Sascha nach Schaffhausen ziehen müssen. Ich wusste, dass wir in Zukunft auf vieles werden verzichten müssen, mir war aber auch total bewusst, was wir dafür geschenkt bekommen würden. 

 

Wie hast du das finanziell gemeistert?

Sascha und ich hatten beide einen Job, eine abgeschlossene Ausbildung und wir wussten, dass wir nicht weniger Mittel haben als andere. Ja, vielleicht waren unsere Ersparnisse nicht so gross, wie wenn wir 10 Jahre älter gewesen wären. Aber wir wurden beide mit alleinerziehenden Mamas gross und wussten, Kinder sind mit sehr wenig, sehr glücklich! Natürlich hatten wir aber auch unendlich grosszügige Unterstützung durch unsere Familien. Die Erstausrüstung für unser Baby wurde komplett übernommen, alle wollten uns beschenken. Das war ein Segen!

 

Welche Hürden hast du auf deinem Weg genommen? Wie hast du diese gemeistert?

Die grösste Hürde war Sascha und ich. Unsere Beziehung. Wir kannten uns kaum und waren gerade mal drei Monate in einer festen Beziehung. Sascha und ich mussten wahnsinnig viel aufholen. Wir wussten, die Zeit ist knapp. Bald würden wir zu dritt sein.

 

Wie hast du dir dein Leben eingerichtet? Wie meisterst du deine Arbeit und deinen Alltag mit deinem Kind? Wo erhältst du Hilfe?

Nach der Geburt von Malea habe ich mich mit der Fotografie selbstständig gemacht. Es war schon immer meine Leidenschaft. Mir war klar, dass ich keine drei Tage die Woche in einem Büro sitzen und meine Tochter um 7:00 Uhr in der Kita abladen möchte. Also genoss ich das erste Jahr als Mama komplett Zuhause und danach startete ich mit der Fotografie durch. Dies ist mir echt saugut gelungen! Da meine Arbeit wochenendlastig ist, sind wir sehr selten auf Fremdbetreuung angewiesen. Was wir sehr geniessen! Für den Fall der Fälle wohnt aber meine Schwiegermutter in der gleichen Strasse und ist uns eine grossartige Unterstützung! Meine Büroarbeit mache ich, wenn meine Mädels schlafen und das geht wunderbar so. Also eigentlich bin ich Fulltime Mami aber auch Fulltime selbstständig. Keiner kriegt was vom andern mit. Meine Girls merken selten, dass Mama arbeitet. Und meine Kunden merken selten, dass ich eigentlich auch noch zwei Kinder zu Hause habe. 

 

Wie nimmst du auf deine Bedürfnisse Rücksicht?

Ich glaube als zweifach Mama steckt man seine Bedürfnisse automatisch zurück. Jedoch legen Sascha und ich grossen Wert darauf, genügend Paar-Zeit oder auch einfach Me-Time zu haben. Wir stehen uns gegenseitig nie im Weg, ganz im Gegenteil. Es ist selbstverständlich, dass wir einander den Rücken frei halten für Fussballtraining, Treffen mit Freunden, Arbeit oder einen Kinobesuch. Das schätzen wir beide sehr! Auch wir haben einen fixen Abend, einmal im Monat, den wir nur zu zweit verbringen. Mal gehen wir Tennis spielen, mal gehen wir essen, oder entspannen im Säntispark.

  

Welche Freuden durftest du dank deines Kindes erfahren?

Durch meine erst geborene Tochter wurde mir ganz viel klar. Das Leben besteht aus so viel kleinen wunderschönen Momenten. Plötzlich sind frühere, grosse Probleme zu den kleinsten der Welt geworden. Mir wurde klar, was wirklich wichtig ist. Und das ist meine Familie. Und das ist für mich die grösste Freude!

 

Welche Vorzüge hat es, jung Mutter zu werden?

Ganz viele! Ich liebe es, dass ich mit meinen Kindern alles mitmachen kann. Ich liebe es, in gewissen Momenten selbst wieder Kind zu sein. Ich liebe es, kann ich meinen Kindern junge Grosseltern bieten, die genauso Freude daran haben, mit ihnen die coolsten Dinge zu unternehmen. Ja, ich glaube auch, dass man im jungen Alter ganz vieles gelassener angeht und vielleicht in gewissen Situationen mehr Nerven hat.

 

Was würdest du rückblickend anders machen? Was würdest du deinem damaligen Ich raten?

Lass dir von niemandem hereinreden! Ja, höre dir Ratschläge an, aber folge deinem Herzen!

 

Vielleicht liest gerade eine junge, werdende Mutter mit. Was möchtest du ihr auf ihre Reise mitgeben?

DU WIRST ES SCHAFFEN! Du hast alles, was eine Mama braucht! Du kannst lieben, du kannst fürsorglich sein, du kannst dich auf die schönste Reise deines Lebens freuen. 

 

«Ich als junge Mama sitze heute hier und könnte mir mein Leben keine Sekunde mehr ohne meine Töchter vorstellen. Es ist das beste und schönste, was mir je passiert ist.»

  

Wie ist dein Fazit aus deiner Erfahrung als junge Mutter?

Jung Mama werden ist für mich das schönste überhaupt! Ich bin für nichts so dankbar, wie für das! Seit ich selbst Mama bin, bin ich noch ein ganzes Stück dankbarer geworden für meine Mama. Ich weiss jetzt, was es heisst, 24/7 Mama zu sein, Verantwortung zu tragen, sich selbst manchmal hinten anzustellen. Ich weiss jetzt, was es heisst, bedingungslos zu lieben!

 

Möchtest du sonst noch etwas sagen?

Mama sein ist für mich das grösste Glück, das reichste Geschenk und mein wertvollster Titel. Aber es ist genauso okay, zu sagen, ich möchte jetzt oder vielleicht auch nie Mama sein. 

 

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Liebe Leonie, danke, dass du uns an deiner beeindruckenden Geschichte hast teilhaben lassen. 

 

Neben dem heutigen Interview erzählen noch zwei weitere Mütter von ihren Erfahrungen. Auch sie sind bereits früh Mutter geworden. Früh nicht im Sinne von unreif, sondern früh im Vergleich zum Alter 30, um welches die meisten Menschen sich bewusst entscheiden Kinder zu kriegen. Auch sie haben unsere Fragen beantwortet und nehmen uns mit auf ihre eigene, persönliche Reise.

 

Anna

Anna, bereits Mutter einer aktiven Hundedame, wurde nun mit 31 Jahren auch das erste Mal Mama eines kleinen Menschleins. Zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Schützlingen erforscht sie voller Freude das Leben. Sie liebt Worte, gutes Essen und wenn es draussen nach Schnee riecht. Wenn sie gerade nicht schreibt, schläft sie.